Mein Promotionsprojekt: Jakob von Vitrys Vita Mariae Oigniacensis - zu Herkunft und Eigenart der ersten Beginen

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Meine Arbeit an meiner Dissertation ist inzwischen abgeschlossen. Sie ist im Jahre 2010 unter dem Titel 'Jakob von Vitrys Vita Mariae Oigniacensis - zu Herkunft und Eigenart der ersten Beginen' in der Reihe ...'Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte' (VIEG) beim Verlag ... Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen erschienen.


An dieser Stelle können Sie das

... Inhaltsverzeichnis

und einige

... Ergebnisse

meiner Arbeit einsehen.
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Grundlage meines kirchengeschichtlichen Promotionsprojekts ist die hagiographische Lebensbeschreibung Marias von Oignies (ca. 1177-1213), die als erste namentlich bekannte Begine gilt.

Die Vita wurde um 1215 von dem Theologen und späteren Kardinal Jakob von Vitry (1160/70-1240) verfaßt. Sie bietet die programmatische Darstellung eines um 1200 neuen und in Brabant hauptsächlich von Frauen angestrebten Heiligkeitsideals. Sehr vergleichbare Ideale finden sich bei den ersten Franziskanern, die wenige Jahre nach den Frauen aufgetreten sind und diesen mit ziemlicher Sicherheit nicht vor 1216 begegneten.

Bewußt als Laiinnen lebten die Frauen monastische Weltentsagung ohne sich in Klausur zu begeben oder physisch von der Welt abzuwenden. Mehrheitlich stammten die Frauen aus reichen städtischen Kaufmannshäusern. Sie entäußerten sich allen Besitzes und lebten als bettelarme rigorose Asketinnen in Gemeinschaftshäusern oder Einzelklausen. Viele schlossen sich Hospitalgemeinschaften an. Ihre leidens- und brautmystisch gestimmte Frömmigkeit drückte sich in teilweise dramatischen Ekstasen aus und hat die Entstehung und Ausformung der sog. deutschen Mystik im 14. Jahrhundert beeinflußt.

Vor allem kann aber als sicher gelten, dass diese Frauen selbst gepredigt und Kranke und Sterbende gepflegt sowie seelsorgerlich begleitet haben. Vor allem Leprakranken wandten die Frauen sich zu. Hierin drückte sich nicht nur Mitleid mit dem leidenden Nächsten aus, sondern die Frauen strebten regelrecht an, sich mit der Krankheit selbst zu infizieren, um auf diese Weise Christus als dem leidenden Gottesknecht nachzufolgen.

Indem sie Predigt und Seelsorge des Weltklerus als mangelhaft oder überhaupt nicht vorhanden kritisierten, nahmen sie diese Aufgaben gleichzeitig selbst in die Hand. Ihr ausgesprochen häufiges Verlangen nach Leib und Blut Christi gehört in den Kontext von Reformstreben und Kleruskritik um 1200 und läßt vermuten, dass sie auch in diesem Bereich selbst aktiv wurden.

Deutliche Wirkung auf das Heiligkeitskonzept der weiblichen Laienreligiosen hatte die Kreuzestheologie Bernhards von Clairvaux. Prägend war jedoch der bislang wenig beachtete Einfluß der Schüler des Pariser Reformtheologen Petrus Cantor, die an der Gründung von Beginengemeinschaften mitwirkten, diese betreuten und als Fürsprecher der Frauen auftraten.

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Inhalt


...I. Einleitung
...II. Forschungsstand

...III. Der Autor


    ...1. Jakob von Vitry
    ...2. Werke Jakobs von Vitry

      A. Die Historia orientalis et occidentalis
      B. Die Briefe Jakobs von Vitry
      C. Die Predigten Jakobs von Vitry

        a. Die mulieres religiosae im Werk Jakobs von Vitry

    ...3. Studienzeit und theologische Prägung Jakobs von Vitry

      A. Paris
      B. Petrus Cantor

        a. Das "Verbum abbreviatum" und pastoralpraktische Reformvorschläge des Petrus Cantor
        b. Petrus Cantor als Vorbild und Vordenker der innerklerikalen Reform

      C. Der Cantorkreis
      D. Non incendit, qui non ardet - die Predigt als Königsdisziplin der Theologie
      E. Predigtdesiderat und Handbücher für Prediger
      F. Differenzierung in Zielgruppen

        a. Exkurs: Robert von Courçon

      G. St. Viktor

        a. Die Eucharistielehre Hugos von St. Viktor
        b. Maria von Oignies als exemplum der Gedanken Richards von St. Viktor ?

...IV. Die Vita beatae Mariae Oigniacensis des Jakob von Vitry (VMO)


    ...1. Aufbau der Vita Marias von Oignies

      A. Der Prolog

        a. Die Widmung an Fulko von Toulouse
        b. Hieronymus und Gregor

      B. Das erste Buch der Mariavita
      C. Das zweite Buch der Mariavita
      D. Das theologische Programm der sieben Geistgaben

    ...2. Datierung der Vita Marias von Oignies
    ...3. Exempla und Auszüge aus der Mariavita
    ...4. Übersetzungen der Mariavita
    ...5. Das Supplement zur Vita Marias von Oignies

      A. Datierung des Supplements
      B. Manuskriptlage 60

    ...6. Gattungsanalyse der Vita Marias von Oignies

      A. Wunder und Begnadungserlebnis
      B. Die Vita Marias als Vertreter eines neuen Typus
      C. Exempla 67
      D. Die Vita Marias von Oignies als Brückenvita einer Laienreligiosen

    ...7. Manuskriptlage der Vita Marias von Oignies

      A. Verbreitung und Streuung von Abschriften der Mariavita
      B. Gebrauchsbücher 76
      C. Der Kontext der Vita in ihren Manuskripten

    ...8. Funktionsbestimmung und Adressaten der Vita Marias von Oignies

      A. Mulieres religiosae als Adressatinnen der Vita
      B. Zisterzienser als Rezipienten und Adressaten der Vita

        a. Austausch zwischen Zisterziensern und mulieres religiosae
        b. Die Vita der Alpais von Cudot

      C. Der innerklerikale Adressatenkreis der Mariavita
      D. Der Stellenwert des Ketzerproblems für die Vita Marias von Oignies

...V. Der Frömmigkeitstypus in der Vita Marias von Oignies


    ...1. Der Einfluß der predigenden Cantorschüler auf die mulieres religiosae

      A. Fulko von Neuilly
      B. Johannes von Nivelles
      C. Armutsidee und Kreuzzugspredigt um 1200
      D. Die neue Sünde: Wucher
      E. Die Frau des Wucherers - Mitschuldige oder Rettungsinstanz

        a. Grenzen des Einflusses der Prediger

    ...2. Anfechtungen: Widerstand gegen das fromme Propositum

      A. Konflikte und Widerstände innerhalb der Familien der mulieres religiosae
      B. Kleriker als Spötter
      C. Der Spottname "Begine"

    ...3. Kritisierte Kritiker: Kirchen- und Kleruskritik in der Vita Marias von Oignies

      A. Mangelnde Predigt

        a. Das Privileg von 1216

      B. Mangelnde Seelsorge
      C. Malum exemplum

    ...4. Jungfräulichkeit und Zuwendung zum geistlichen Bräutigam

      A. Die Vita S. Kunigunde (Anonymus)
      B. Vertiefte Jungfräulichkeit und compassio - Hoheliedzitate in der Mariavita

    ...5. Buße

      A. Die Tränengabe
      B. Fegefeuer
      C. Umwertung des Leidens

    ...6. Unmittelbare Begegnung mit dem menschlichen Christus
    ...7. Leidensnachfolge

      A. Christusförmigkeit
      B. Konkrete Leidensnachfolge: Bettel und Kreuzzugsteilnahme

        a. Bettelarmut als paupercula Christi

    ...8. Mulieres religiosae als Krankendienerinnen

      A. Die mulieres religiosae als Stadtphänomen
      B. Stadtbürgerliche Leprosenpflege

        a. Lepra
        b. Lazarus
        c. Maria-Marta-Lazarus

      C. Leprose als Büßer und Geliebte Gottes in Jakobs Leprosenpredigten
      D. Leprosorien

        a. Konflikte um Beichte und Eucharistie
        b. Eucharistie

      E. Maria als Krankendienerin in Willambrouck
      F. Ivetta von Huy
      G. Elisabeth von Thüringen - Drittordensfrömmigkeit
      H. Lepra und unschuldiges Opfer in der weltlichen Literatur: Der arme Heinrich

...VI. Ergebnis, Results, Résultat


    ...1. Ergebnis
    ...2. Results
    ...3. Résultat

...VII. Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
...VIII. Anhang

    ...1. Nur die Mariavita (BHL 5516) enthalten:
    ...2. Die VMO mit ausschließlich hagiographischem Kontext enthalten:
    ...3. Die Mariavita mit theologischem und hagiographischem Kontext enthalten:
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Einige Ergebnisse meiner Arbeit

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Schüler des Pariser Theologen Petrus Cantor, die ein wichtiger Motor der kirchlichen Reformbewegung um 1200 waren, standen in engem Kontakt und direkten Wechselwirkungen mit den ersten Beginen. Die Theologen, zu denen auch Jakob von Vitry, der Autor von Marias Vita, gehört, betreuten Beginengemeinschaften, gründeten auch selbst einige.

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Die frommen Frauen nahmen seelsorgerliche Funktionen gegenüber ihrer Umwelt und teilweise auch gegenüber den Theologen in ihrer Nähe wahr. Sie predigten, hörten wahrscheinlich auch die Beichte und begleiteten kranke und sterbende Menschen, um deren Seelen in der besonders angsterfüllten Übergangssituation, die mit dem körperlichen Tod assoziiert wurde, vor den Angriffen von Teufeln und Dämonen zu schützen.

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Auffallend viele der ersten Beginen wandten sich der Pflege Leprakranker zu, nachdem sie sich zu mittellosem und enthaltsamem Leben bekehrt hatten, und lebten in frommen Hospitalgemeinschaften. Sie strebten von Beginn ihres frommen Lebens an nicht ins Kloster, das als Ort völliger Abkehr verstanden wurde, an dem man Welt und Sünde hinter sich lassen konnte. Stattdessen brachten sie eine neue Form des Religiosentums hervor, die nach den monastischen Maßgaben von Armut, radikaler Askese und sexuell enthaltsamem Leben in der Welt der Laien stattfand. Diese Lebensform bildet einen Neueinsatz, sie ist nicht einfache Fortsetzung eines institutionalisierten Büßertums, wie es bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christus aufkam.

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Indem sie in die Welt, die sie als ganz und gar sündigen Ort ansahen, hineinwirkten, statt sich ihrer zu entziehen, kehrten die ersten Beginen die übliche Richtung des frommen, Gott zugewandten Lebens um.

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Lange bevor sie in Kontakt mit Franziskus von Assisi und den Bettelorden kamen, beriefen sie sich für ihr mittelloses Leben und die Krankenpflege auf Christi Aufforderung zur Nachfolge (Mt 16,24) und weitere Christusworte, die sie vor allem im Johannesevangelium und in der Bergpredigt fanden. Ihre Christusmystik ist durchdrungen von Bildern aus dem Hohenlied und schöpft aus Deuterojesaja.

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